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Beitrag vom 02.11.2009
Bettina Köster - Queen Of Noise
Tatjana Zilg
Im geteilten Berlin der punkbewegten 1980er machte sie als Mitbegründerin der legendären All-Female-Band Malaria Furore. Kein Geringerer als John Peel gab schon dem Vorgängerprojekt Mania D. das ...
... Prädikat "Queens Of Noise".
Laut und lärmig drang es aus der westlichen Hälfte der Stadt, in der viele RebellInnen aus der BRD ein neues Zuhause fanden, in die Welt hinaus. Experimentierfelder für das kreative Chaos gab es trotz des im Vergleich zu heute eingeschränkten Sozialraums viele. Beliebte Tatorte waren das SO36 in Kreuzberg und der Dschungel in Schöneberg. Rhythmen, die durch Tempo und Monotonien provokant ins Gehirn stürmten, brachten die Körper lange vor Techno-Zeiten auf den Tanzflächen zum Schwitzen. Mittendrin Bettina Köster und Gudrun Gut als die beiden genialen Malaria-Verbreiterinnen.
Aber nicht nur die Musik war ihr Metier. Ebenso ideenreich betätigten sie sich als Veranstaltungskünstlerinnen. 1979 öffnete das Eisengrau seine Türen als erster aller urbanen Konzeptstores - mit einem variationsreichen Aufgebot an Ausstellungen und Screenings, einem Kleiderladen und einem Kassettenlabel.
Mitte der 1980er zog es Bettina Köster fort aus Berlin und sie erkor die besten Orte der Welt zu ihren Wohnzimmern. In New York wurde sie der Musik untreu und entdeckte das Filmemachen und Buchschreiben für sich.
Unter der Sonne des europäischen Südens kehrte sie zur Musik zurück. Im fraeulein Studio in Süditalien entstand das erste Rohmaterial für eine Solo-Veröffentlichung. Ihre Berliner Freunde Wilhelm Stegmeyer und Anton Gerber reisten zur Mitwirkung auf den Stiefel und ein italienischer Freund mit dem wohlklingenden Namen Michelangelo programmierte die Rhythmen.
Durch ihr umfangreiches Netzwerk lernte sie kurz darauf die Kalifornierin Jessie Evans kennen, die als The Vanishing mit einer extravaganten Musikperformance ihrem Live-Publikum unvergesslich in Erinnerung bleibt. Nach einem gemeinsamen Konzert schlossen sie sich als Autonervous zusammen, um eine außergewöhnliche Scheibe herauszubringen - prall gefüllt mit bizarr-schrägen, eindringlich hypnotischen Beats, die sich in ungewöhnlicher Weise magisch schriller Saxophontöne bedienten.
Die Songs für ihr Solo-Queen-Abenteuer ließ Bettina Köster dafür konsequenterweise ersteinmal an der Seite liegen, um später mit ihnen nach Wien zu reisen. In der Songwriterin Clara Luzia, zugleich Chefin des erlesenen Kleinlabels Asinella Records, fand sie dort eine engagierte Geburtshelferin für "Queen Of Noise". Mit der Drummerin Ines Perschy und dem Pianisten Alexander Nefzger stellte ihr Clara Luzia neue Talente an die Seite. Dennoch erhielt das Album auch in der sympathischen Donaumetropole nicht sein endgültiges Gesicht. Erst in Berlin, dort, wo alles begann, nahmen die Songs ihre finale Gestalt an. Die Gitarren-Spuren bekamen weitere Ergänzung durch Bernhard Mooshammer.
Ein volles Dutzend Songs bersten aus "Queen Of Noise" hervor. Wie der Titel verheißt, hat sich Bettina Köster an ihre Ursprünge zurückkatapultiert und spielt geschickt mit der Anatomie des Lärms. Hämmernde Electro-Beats bestimmen das Tempo ihres Solo-Debuts und ziehen die HörerInnen fest in den Griff der temperamentvollen Klänge, die vom Flair weit näher an Dirty Rock dran sind als an den feinsinnigen Electro-Sphären, die ihre Ex-Band-Kollegin Gudrun Gut in den 1990ern entwarf.
Bettina Köster knöpft sich lieber die "Femme Fatale" von Lou Reed vor und haucht ihr neues, unüberhörbares Leben ein. Als Opener lässt sie zuvor eine ungewöhnlich wilde Version des Beatles Klassikers "Helter Skelter" in die Ohren stürmen. Alle anderen Songs sind von ihr selbst geschrieben. Leider komplett englischsprachig, was etwas enttäuscht, wenn man sich an unvergängliche Wortkunststücke wie "Kaltes Klares Wasser" und "Geld" aus Malaria-Zeiten zurückerinnert. Der Vorteil ist, dass die Songs so den Weltenstreifzug spiegeln, den Bettina Köster seitdem verfolgt.
Kurz, knapp und aussagekräftig sind die Titel und laden zum "Ocean Drive" und auf die "Via Pasolini" ein oder stellen provokante Imperative wie "Grab Me" und "Pity Me". Wie von der Autonervous-Scheibe gewohnt, singt Bettina Köster mit einer tiefen, verrucht-lässigen Stimme - in einem unwiderstehlichen Timbre, das die Erinnerung an die bizarre Amanda Lear wiederbelebt. Die Songs gegen Ende des Albums zeigen ein wenig mehr von der weichen Seite der lauten Königin, denn hier erkundet sie die balladeske Kraft leiser Piano-Töne: "Thar She Blows" entlässt in einer erstaunlich entspannt-sinnlichen Attitüde aus dem dunkellärmigen Abenteuer.
Weiterhören auf AVIVA-Berlin: Planningtorock
Bettina Köster im Netz: www.asinellarecords.com/bettina.html und www.myspace.com/bettinakoster
AVIVA-Tipp: Power! Mit einer explosiven und ekstatischen Ladung an Songs macht Bettina Köster ihrem Rang als Queen Of Noise alle Ehre und ziert ihr Zepter mit diamantenen Raffinessen wie ihren verführerischen Saxophon-Künsten.
Bettina Köster
Queen Of Noise
Label: Asinella Records, VÖ Oktober 2009